nbk-logo

Zum Begriff des Performativen in der zeitgenössischen Kunst

Donnerstag, 27. Juni 2019, 21:00 Uhr

Podiumsdiskussion
Veranstaltung vor Ort
In deutscher Sprache

Podiumsdiskussion mit John Bock (Künstler, Berlin), Gabriele Brandstetter (Professorin für Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt Tanzwissenschaft, Freie Universität Berlin), Anna-Catharina Gebbers (Kuratorin, Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin), moderiert von Angela Rosenberg (Kuratorin, Berlin)

Mit der Ausstellung Im AntliTZ des SchädelapparaTZ  im Neuen Berliner Kunstverein (15. Juni – 28. Juli 2019) hat John Bock ein neues Projekt entwickelt, das installative, filmische und performative Elemente in vier verschiedenen Räumen miteinander verzahnt. Zentrales Werk der Ausstellung ist ein 4,2 Meter hoher Metallkeil, der von der Decke hängt. In zwei Nebenräumen hat Bock je eine weitere eigenständige, raumgreifende Installation geschaffen.


Die Settings dienen als Aktionsraum für vier Tänzer und einen Schauspieler. Die hier stattfindenden performativen „Vorträge“ unter Einbeziehung der fünf Live-Akteure sind integraler Bestandteil der Ausstellung bilden zudem den Gegenstand eines Films, der ab 25. Juni 2019 im n.b.k. gezeigt wird. Die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten nehmen Bezug auf die Lebensweise des US-amerikanischen Terroristen und ehemaligen Mathematikprofessors Theodore Kaczynski (*1942, genannt „Unabomber“), sowie auf den Hannoveraner Serienmörder Fritz Haarmann (*1879 ‡1925). In dem düster anmutenden „Leibraum“ wurde mittels eines Gitterrostbodens eine zweite Raumebene eingezogen, die nur von unten einsehbar ist. Im Mittelpunkt steht ein aufgeschlitzter Silikonkörper, an dessen Haaren eine Flüssigkeit herabtropft. Die Wände der unteren Ebene sind mit Metallplatten ausgeschlagen. Eine weitere öffnung führt durch einen beklemmend engen Flur in die „Stube“, in der sich ein klaustrophobisches Szenario entfaltet.


John Bock verbindet in seinen Arbeiten Live-Aktionen, Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Filmsets und Filmprojektionen zu einem Gesamtkunstwerk. Seine Raumanordnungen, die von umfangreichen Materialkombinationen geprägt sind, können zum Ort für Live-Aktionen werden, die der Künstler als „Vorträge“ oder „Lectures“ bezeichnet.


Vor diesem Hintergrund diskutieren John Bock, Gabriele Brandstetter, Anna-Catharina Gebbers und die Moderatorin Angela Rosenberg zu verschiedenen Fragestellungen, die das Performative in der zeitgenössischen Kunst aufwirft: die Gewichtung von Zufall und Steuerung, der Aspekt der Interaktion mit dem Publikum und der Stellenwert von Partituren und Notationssystemen. Anhand dieser Themenfelder werden Entwicklungslinien in performativen Kunstpraxen aufgezeigt und das Werk von John Bock darin verortet.



John Bock ist Künstler und hat seit 2004 die Professur für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe inne. Sein Werk stützt sich auf einen dunkel gefärbten Humor, der sich nicht zuletzt auf sprachlicher Ebene durch Wortschöpfungen, Repetitionen, Lautmalerei und überraschende Sprachkombinationen ausdrückt. Wenngleich seine Filme und Live-Aktionen sich einer eindeutigen Interpretation entziehen, steht hinter Bocks Werk ein deutlicher Wille zur stetigen Erweiterung des Kunstbegriffs. Sein Hauptanliegen besteht in der Entgrenzung der Kunst, sei es in Bezug auf die Aufhebung von Gattungsgrenzen und von statischen Werkbegriffen oder im Hinblick auf das Verhältnis von Rezipientin und Künstlerin. Einzelausstellungen (Auswahl): Fondazione Prada, Mailand (2018); The Contemporary Austin (2017); La Panacée, Montpellier (2017); Berlinische Galerie, Berlin (2017); Museum of the Moving Image, New York (2016); Bundeskunsthalle, Bonn (2013); REDCAT, Los Angeles (2008); Gruppenausstellungen (Auswahl): Fondazione Prada, Mailand (2017); Solomon R. Guggenheim Museum, New York (2015); Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam (2015).


Gabriele Brandstetter ist Professorin für Theater- und Tanzwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, sowie seit 2008 Ko-Direktorin des Internationalen Kollegs Verflechtungen von Theater-Kulturen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschichte und ästhetik von Tanz, Theater und Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Virtuosität in Kunst und Kultur sowie die Beziehung von Körper, Bild und Bewegung. In ihren jüngeren Publikationen beschäftigt sie sich mit politischen und ästhetischen Fragen zu Tanz, Choreografie und Performance sowie mit Fragen von Grenzüberschreitungen, Migration und Decolonizing Dance.


Anna-Catharina Gebbers ist Kuratorin für Medien- und Performancekunst an der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, wo sie Ausstellungen von Anne Imhof und Julian Rosefeldt verantwortete sowie Gruppenausstellungen wie moving is in every direction. Environments – Installationen – Narrative Räume (2017) und das Ausstellungskapitel „Making Paradise. Places of Longing from Paul Gauguin to Tita Salina“ (in Zusammenarbeit mit Grace Samboh und Enin Supriyanto) für Hello World. Revision einer Sammlung (2018). Zu ihren bisherigen Projekten zählen außerdem Christoph Schlingensiefs Retrospektive (KW Institute for Contemporary Art, Berlin und MoMA PS1, New York, zusammen mit Klaus Biesenbach und Susanne Pfeffer, 2013–2014) sowie Ausstellungen mit Künstler*innen wie Kader Attia, Felix Gonzalez-Torres, Thomas Schütte, Santiago Sierra, Milica Tomić.


Angela Rosenberg forscht als Kuratorin zu künstlerischen Interventionen in Museen und Sammlungen und leitet derzeit das Mentorenprogramm an der KuvA Academy of Fine Arts in Helsinki. 2018 hatte sie für die Ausstellung von Philippe Parreno im Gropius Bau das kuratorische Management inne. Zusammen mit Künstlerinnen entwickelte sie für das Humboldt Lab Dahlem alternative Präsentationsmethoden, die 2012–2015 im Museum für Asiatische Kunst und im Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin zu sehen waren. Für die Temporäre Kunsthalle Berlin entstand eine von Künstlerinnen kuratierte Serie, darunter John Bocks spektakuläre Ausstellung FischGrätenMelkStand, 2010.

Der Neue Berliner Kunstverein wird gefördert durch die LOTTO-Stiftung Berlin